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                                                                                                    1.1.2024

Die Bergoglio`sche Klugheit:

Wie Rom mit Fiducia supplicans (F.S) die lehramtliche Sicht der Kirche von außerehelichen und homosexuellen Beziehung unterminiert.

von Professor Dr.med. Eberhard Gross, Hamburg

     Die Segnungen von Paaren in irregulären Situationen und von gleichgeschlechtlichen Paaren – so die Wortwahl in der Erklärung der Glaubenskongregation - ist offenkundig in der Amtskirche schon seit Jahren Praxis, auch wenn hier keine offiziellen Informationen über deren Verbreitung zugänglich sind. Erinnert sei nur an den ehemaligen Bischof von Limburg Tebartz Van Elst, der einen Priester seiner Diözese 2008 wegen der Segnung eines homosexuellen Paares von seiner Funktion entband und nach einer orchestrierten Medienkampagne 2013 den Bischofsitz verlassen musste. Die Suspension des Priesters war kirchenrechtlich korrekt und konnte daher auch nicht ebenso wie die ablehnende Haltung des Bischofs zu Donum Vitae als Grund für seine Demission genannt werden.

    Dass die Segnungen von Personen in irregulären Situationen von manchen Bischöfen geduldet werden, legt der Handlungstext zur neuen Sexualmoral nahe, der von der überwiegenden Mehrheit der deutschen Bischöfe im Verfahren des Synodalen Weges aktenkundig abgesegnet worden[1] ist. Grundlage der neuen Sexualmoral ist danach die sexuelle Selbstbestimmung. Die einzige Regel für „sexuelle Kontakte“ jeglicher Art und unter beliebigen erwachsenen Partnern ist danach die Einvernehmlichkeit und Zustimmungsfähigkeit. Auch wenn in dem einschlägigen Handlungstext die Segnungen irregulärer Beziehungen nicht thematisiert werden, so lässt die Haltung der meisten Bischöfe doch den Schluss zu, dass sie die Segnungen zulassen, zumal die offiziellen Begründungen (laut Handlungstext des Synodalen Weges) der neuen Sexualmoral keine Argumente gegen die Segnungen liefern. So wundert es auch nicht, dass nicht wenige Bischöfe die Erklärung F.S. (18.12.2023) des Präfekten der Glaubenskongregation Erzbischof Fernandez begrüßt haben. Rom hat damit nicht nur eine geduldete Praxis legalisiert, sondern sich auch faktisch von lehramtlichen Auffassungen über die Sexualmoral im Allgemeinen und über die Ehe im Besonderen losgesagt.

     Schon der Titel der Erklärung: „Über die Sinngebung von Segnungen“ lässt aufhorchen und deutet an, dass der Präfekt argumentativ weit ausholen muss, um die besagten Segnungen zu rechtfertigen. Es gelingt ihm das Kunststück, allerdings nur rein formal, einmal die lehramtliche Sicht der Ehe unangetastet zu lassen und zum anderen die besagten Segnungen unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur als zulässig, sondern als Ausdruck von Klugheit und pastoraler Weisheit zu bezeichnen (30)[2]. Die Glaubenskongregation beabsichtigt, wie es in der Erklärung zudem heißt, lehrmäßige und pastorale Aspekte kohärent zu verbinden (Einführung von F.S.) und einen spezifischen und innovativen Beitrag zur pastoralen Bedeutung von Segnungen zu bieten, der es in enger Verbindung mit einer liturgischen Perspektive ermöglicht, das klassische Verständnis von Segnungen zu erweitern und zu bereichern. Der kirchlichen und nichtkirchlichen Öffentlichkeit wird damit offiziell die neue Sichtweise der Kirche zu den besagten Segnungen bekannt gemacht. Zur Vermittlung dieser Botschaft, bedient sich die Glaubenskongregation der gängigen Methoden der Manipulation: Wording, Framing, Weglassen von Aspekten, die für den diskutierten Gegenstand wichtig sind, einen weitschweifigen Exkurs über einen Gegenstand, der mit der eigentlichen Sache zwar etwas zu tun hat, aber durch seine Weitschweifigkeit eher der Verschleierung des behandelten Problems dient und von dem Kern der Sache ablenkt: So stehen die Paare in irregulären Situationen und gleichgeschlechtliche Paare in demselben Kontext, wodurch insinuiert wird, als wären diese Beziehungen gleichwertig zu beurteilen und auch für die Kirche nur allgemein anerkannte Variationen sexueller Kontakte, eine Auffassung, die die Amtskirche unter der wohl absichtlichen Wahl dieses Begriffes mit dem Projekt des Synodalen Weges allgemein verbreitet. Mit der Bezeichnung „irreguläre Situation“ wird zudem ein Begriff benutzt, der mit einer Sünde nur ganz entfernt konnotiert ist. Hier wird von einer irregulären Situation gesprochen, wie man gewöhnlich von einer irregulären Wetter - oder Marktsituation spricht.

     Mit der Bezugnahme auf die Erklärung der Glaubenskongregation unter Fernandez` Vorgänger Kardinal Ladaria vom 22.Februar 2021[3] „über die Segnung von Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts“, in welcher diese Segenspraxis  untersagt wird, wird die lehramtliche Auffassung von der Ehe zwar insofern bekräftigt, als die Eheschließung durch einen besonderen liturgischen Ritus gesegnet werde, dann aber relativiert, indem man die Gefahr vermeiden solle, die Bedeutung des Segens allein auf diesen Gesichtspunkt zu reduzieren, denn das würde dazu führen zu beanspruchen, für einen einfachen Segen dieselben moralischen Bedingungen zu verlangen, wie sie für den Empfang der Sakramente gefordert werden. Weiter heißt es (13) „die pastorale Fürsorge nicht zu vernachlässigen, die alle unsere Entscheidungen und Haltungen durchdringen muss“ und zu vermeiden, „Richter zu sein, die nur verneinen, ablehnen und ausgrenzen“. Im Subtext bedeuten diese Aussagen, man soll sich vor einem platten Reduktionismus des Segens auf die sakramentale Eheschließung hüten und kein gnadenloser und darüber hinaus kein diskriminierender Richter sein. Das erinnert an Franziskus` Statement in der ersten Pressekonferenz auf dem Rückflug von Rio nach Rom (27.Juli 2013) über die homosexuelle Lebensweise: „Wenn eine Person homosexuell ist und Gott sucht und guten Willens ist, wer bin ich, über ihn zu richten?" Dieses Statement kann retrospektiv als Agenda Setting für den Umsturz der katholischen Sexualethik insgesamt und der Auffassung über die homosexuelle Lebensweise im Besonderen gelten.

     Die Schwierigkeit die Segnung bei der sakramentalen Eheschließung von der Segnung einer „Eheschließung für alle“ abzugrenzen, löst die Erklärung mit mehreren argumentativen Kunstgriffen so z. B. mit der Unterscheidung von Segensarten. Zunächst gelte es keine Verwirrung zu stiften, indem man eine Art von liturgischem Ritus oder diesem ähnliche Segnungen einem gleichgeschlechtlichen Paar erteilen würde. Die Arten von Segen bei gleichgeschlechtlichen Paaren würden zu Ausdrucksformen des Glaubens außerhalb des liturgischen Ritus gehören und seien ein Bestandteil der Volksfrömmigkeit (23). Dieses Argument könnte auch eine Chuzpe sein: Man will eigentlich eine besondere Segensformel für die besagten Personen und argumentiert, um damit eine Verwechslung und Verirrung zu vermeiden, was ja zutreffend ist. Schließlich wird in der Erklärung F.S. zwischen einem Segen mit aufsteigender und absteigender Dimension unterschieden (15). Letzterer ist der Segen, den der Priester herabruft und der von Gott auf die Menschen kommt. Der aufsteigende Segen ist nach F.S. „gleichbedeutend mit Gott zu loben, zu feiern, ihm zu danken für seine Barmherzigkeit und Treue, für die Wunder, die er geschaffen hat, und für alles, was durch seinen Willen geschehen ist.“ Aus der Sicht der aufsteigenden Dimension kann jeder selbst in Situationen der Sünde Gott loben und danken (29). Man könnte nun daraus schließen, dass nur diese Segensform für Segnungen von Personen in irregulären Situationen überhaupt für angemessen gehalten würde. Diesen Schluss hätte man dann aber ohne die Klugheit und pastorale Weisheit der Glaubenskongregation gezogen. Denn der volkstümliche Sinn von Segnungen schließe auch den Wert von ‚absteigenden‘ Segnungen ein.  Klugheit und pastorale Weisheit würden es nämlich nahelegen, dass der Priester oder ein anderer Amtsträger der Kirche sich dem Gebet dieser Personen anschließe, die, obwohl sie sich in einer Verbindung befänden, die in keiner Weise mit der Ehe verglichen werden könne (30). Man sollte zwar kein Ritual für die besagten Personen vorsehen, aber man sollte auch nicht die Nähe der Kirche zu jeder Situation verhindern oder verbieten. Dabei ist dem Verfasser von F.S. wohl bewusst, dass unter dem Begriff “Nähe der Kirche“ die Betroffenen konkret die Institution Kirche und ein Gotteshaus verstehen und die besagte Segnung dann ein Ritus ist, zumal, wenn der Priester den Segen erteilt und sich keiner, schon gar nicht die Beteiligten selbst, darum scheren wird ein hochzeitliches Ambiente zu vermeiden.

    Die Erklärung Fiducia supplicans ist eine höhere Schlaumeierei, hier Klugheit und pastorale Weisheit genannt, um Segnungen von homosexuellen Paaren und anderen in irregulären Situationen in der Kirche einzuführen. F.S. ist ein durchsichtiges Manöver, mit dem die inner- und außerkirchliche Öffentlichkeit argumentativ überlistet werden soll. Man gibt sich als glaubenstreu, indem man die lehramtliche Auffassung der Ehe bekräftigt, öffnet aber dann mit argumentativen Drehungen und Wendungen die Tür für die neue Sexualmoral und die passenden Segensformen. Dabei dienen die unendliche Barmherzigkeit Gottes gegenüber dem Sünder (22) und die positiven Elemente (28) in vermeintlich jeder Beziehung als Rechtfertigung. Die eigentliche Begründung für diesen Paradigmenwechsel, dass neue Erkenntnisse in den Humanwissenschaften eine Neubewertung der Sexualethik erzwingen würden, wird in F.S. nicht direkt, wohl aber implizit angesprochen, wenn es heißt, die Kirche solle sich davor hüten, „ihre pastorale Praxis auf die Festigkeit `vermeintlicher doktrineller oder disziplinarischer Sicherheit`“ zu stützen (25). Mit anderen Worten: Es gibt in der Neuen Kirche keine Festigkeit und disziplinarische Sicherheit in der Sexualethik und man will offenkundig auch keine verbindliche Sexualethik nach dem Lehramt und den biblischen Geboten, sondern eine Sexualethik, die vermeintlich als wissenschaftlich fundiert gegen Kritik immun erscheint und allgemein propagiert und vermeintlich allgemein akzeptiert wird. Dass man in F.S. Schlüsse aus falschen Prämissen zieht, soll in den argumentativen Konvulsionen wohl untergehen: Dass es Handlungen gibt, die in sich schlecht sind, die nicht ein Gut sein können, die man daher nicht gutheißen kann und darf. 

 

 



[1] Handlungstext der 4. Synodalversammlung vom 8-10 Sept. 2022 in Frankfurt/ Main: „Leben in gelingenden Beziehungen – Grundlinien einer neuen Sexualethik“ von 27 Bischöfen haben 21 nicht zugestimmt, 3 sich enthalten. Die Lehramtliche Neubewertung der Homosexualität fand nur bei 8 Bischöfen keine Zustimmung.

[2] Die Ziffern in Klammern geben die Nummern des entsprechenden Textabschnittes in der Erklärung Fiducia supplicans wieder.

[3] Aus Responsum ad dubium der Glaubenskongregation vom 22. Februar 2021: „Aus diesem Grund ist es nicht erlaubt, Beziehungen oder selbst stabilen Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe (das heißt außerhalb einer unauflöslichen Verbindung eines Mannes und einer Frau, die an sich für die Lebensweitergabe offen ist) einschließen, wie dies bei Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts der Fall ist.“