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Synodale Verfälschung der biblischen Freiheitsethik

(Synodaler Bruch 6)

Nach der nordischen Bischofskonferenz und dem Vorsitzenden der polnischen Bischofskonferenz haben Anfang April vier Kardinäle und 70 afrikanische und nordamerikanische Bischöfe einen Offenen Brief zum deutschen Synodalen Weg geschrieben.

Drei der sieben Punkte aus dem letzteren „Brandbrief“ seien herausgestellt:

(6) „Die Fokussierung des Synodalen Wegs auf ‚Macht‘ in der Kirche zeugt von einem Geist, der dem wahren Wesen des christlichen Lebens grundlegend widerspricht. … Die Kirche als organische Gemeinschaft ist nicht egalitär, sondern familiär, komplementär und hierarchisch. … Die Reform der Strukturen bedeutet keineswegs schon die Bekehrung der Herzen.“

(5) „Das Verfahren des Synodalen Wegs ist fast durchgängig von Experten und Ausschüssen bestimmt. Es ist bürokratielastig, zwanghaft kritisch und nach innen gerichtet“. Eine Kostprobe für das deutsch-kirchliche Eliten-Projekt ist im Text von Forum I zu lesen: „Ein solcher ambiguitätssensibler Umgang mit Komplexität ist dem geschichtlichen Charakter der Heilswahrheit geschuldet und erweist sich zugleich gerade heute als Grundsignatur intellektueller Zeitgenossenschaft.“

(3) „Die Inhalte des Synodalen Weges scheinen auch den Begriff der christlichen Freiheit umzudeuten und damit zu schmälern.“ Darauf soll näher eingegangen werden:

Im synodalen Orientierungstext ist zwar von „Befreiung“ die Rede – aber wovon?
Man spricht von der „befreienden Kraft des Evangeliums“ – aber zu welchem Ziel?
Die Bibel eröffnet „Räume der Freiheit“ - aber welche Freiheit ist hier gemeint?

 Im fünften Kapitel des Galaterbriefs bekennt der Apostel Paulus, dass wir durch Christus zur Freiheit der Erlösten gerufen sind. Freiheit als Gabe und Aufgabe zeigt sich in Einstellung und Werken der Nächstenliebe. Sie ist an Wahrheit und Norm orientiert.

Von dieser christlichen Freiheit als Frucht der Erlösung durch Christus ist im synodalen Orientierungstext nicht die Rede. Der paulinische Freiheitsbegriff wird überblendet von einem „aktuellen Schriftsinn“: Man transformiert die biblische Freiheit mit dem Ziel von „Aktualität und heutiger Relevanz“ in das moderne individualistische Freiheitsverständnis.

Die Synodentheologen sprechen von „Menschenrechten“ und nennen konkret das Recht der Wissenschafts-„Freiheit der Theologie“. Im Zusammenhang mit Freiheitsräumen wird ausdrücklich gefordert, dass die Kirche diejenigen akzeptiert, „die (auf der Basis ihrer subjektiven Gewissensentscheidung) anders leben und anders glauben, als es den Normen der Kirche (…) entspricht (Kap. 23).

Damit bringt der Synodaltext unzweideutig die individualistische Freiheitsformel gegen die Wahrheit des Glaubensbekenntnisses und die dogmatischen Normen der Kirche in Stellung. Jeder Mensch hat zwar das personale Recht auf die Religion seiner Wahl. Aber wenn er sich mit der Taufe für Glauben und Mitgliedschaft in der Kirche Jesu Christi entschieden hat, ist er an die kirchliche Glaubenswahrheiten und Normen gebunden.

Gegen diesen unchristlichen Freiheitsbegriff der ich-bezogenen Autonomie in Glaubensfragen
argumentieren die 70 Bischöfe in ihrer Erklärung: „Authentische Freiheit ist nach der Lehre der Kirche an die Wahrheit gebunden und auf das Gute und letztendlich auf die Glückseligkeit des Menschen hin geordnet. Ein gut gebildetes christliches Gewissen bleibt der Wahrheit über die menschliche Natur und den von Gott geoffenbarten und von der Kirche Christi gelehrten Normen für ein rechtschaffenes Leben verpflichtet.“

Die Kritik des Offenen Briefs an der Verfälschung des biblischen Freiheitsbegriffs durch den Synodalen Weg ist gut begründet. Umso unverständlicher ist die Behauptung von Bischof Bätzing in seinem Antwortschreiben, das Schreiben der Bischöfe würde keine Begründungen enthalten.

Die individualistischen Freiheitsrechte können keine christliche (Sexual-)Ethik begründen

Der neuzeitliche Freiheitsbegriff geht von dem unwirklichen Konstrukt des vereinzelten Einzelnen aus. Die anthropologische Einbettung des Menschen in die Gemeinschaft von Natur aus wird geleugnet. Insbesondere in den ersten und letzten Lebensjahren zeigt sich die menschliche Angewiesenheit auf andere.  

Das Freiheitsrecht des als Ich-AG gedachten Einzelnen zielt auf Durchsetzung der eigenen Interessen, des eigenen Vorteils und der Selbstverwirklichung durch höchstmögliche Befriedigung eigener Wünsche. Die Mitmenschen kommen nur als Grenze oder Einschränkung für den individuellen Freiheitsraum in den Blick. Oder sie werden im ökonomischen Kontext des freien Marktes von Kaufen und Verkaufen als Mittel angesehen, um eigenen Lebensgenuss, Gewinne oder Vermögen zu vermehren. In dem marktwirtschaftlichen Sektor und auch im öffentlich-politischen Bereichen haben die individuellen Freiheitsrechte gleichwohl einen funktionalen Sinn.

Ganz anders zu bewerten ist die Anwendung der ich-bezogenen Freiheitsrechte auf die menschlichen Nahbeziehungen in Freundschaften, Ehe und Familie sowie kleinen Gemeinschaften und dem „Nächsten“. Wenn zwei Freunde oder Ehegatten nur ihre eigenen Interessen und Vorteile suchen oder die andere Person als Mittel zur eigenen Bedürfnisbefriedigung ansehen, dann wird jede Freundschafts-, Liebes- oder Gemeinschaftsbeziehung zerstört. An den Beispielen ‚Kauf‘ von Freunden, Sexualbeziehungen (Prostitution) oder Leihmutterschaft wird deutlich, dass die Übertragung des modernen Freiheitsbegriffs auf den Bereich der persönlichen Beziehungen zu unsittlichen Handlungen führt.

Daher irritiert es, dass der Vorlagentext vom synodalen Forum IV (Sexualethik) für die sexuellen Beziehungen fordert, „Wertmaßstäbe der säkularen, liberalen Demokratie“ zu übernehmen - etwa mit dem Grundsatz: uneingeschränktes Recht und freie Wahl zu jeglichen sexuellen Handlungen (S.18). In Wirklichkeit vollzieht der Synodentext eine Anbiederung an den Zeitgeist und dessen individualistischen Freiheitsbegriff, für die das Ich und seine sexuelle Bedürfnisbefriedigung im Mittelpunkt stehen. Der christliche Grundsatz, dass nur aus Freiheit in Liebe Gutes entsteht, verkehren die Synodalen in die moderne Behauptung: Alles, was in individualistischer Freiheit ohne Gewalt gewählt und getan wird, sei normgerecht und daher gut so.

Allein die biblisch begründete, von Liebe geleitete Freiheit befreit zum Guten

Die Freiheitsdefinition im Galaterbrief ist eine völlig andere als die moderne: Christus hat uns durch seinen Erlösungstod von der Knechtschaft des (Thora-)Gesetzes und der Sünde erlöst, befreit. Die aber durch Glauben und Taufe zu Jesus Christus gehören, denen ist das weltliche Begehren und Bestreben gekreuzigt. Sie sind von Christi Geist und Gnade dazu befreit, in der Gottes- und Nächstenliebe die Früchte des Geist-Lebens zu erhalten wie Friede und Freundlichkeit, Liebe, Güte und Treue (Gal 5,1-26). Die von Paulus aufgeführte Freiheit / Befreiung von Schlechtem und zu Gutem entspricht auch der zeitlos gültigen conditio humana in allen menschlichen Nahbeziehungen, insbesondere auch der sexuellen.

Nach dem Wort des Augustinus: ‚Liebe – und dann tu, was du willst!‘ ermöglicht erst die Nächstenliebe wahre Freiheit. Aus diesem Grundsatz folgt für eine christliche Sexualethik: Jede sexuelle Beziehung von und unter Christen steht unter dem Hauptgebot der Liebe, in der sich die Eheleute gegenseitig das Ja der Treue in allen Lebenslagen geloben. Die Liebe fordert, alles Begehren zu meiden, was nicht in die eheliche Liebe mündet, sowie von allem Handeln abzusehen, das die eheliche Liebe bricht und zerstört (6. und 10. Gebot). Die Handlungsfreiheit der Christen in Sachen Sexualität ist vorab geprägt durch die erfahrene Gottesliebe und die gelebte Nächstenliebe.

In seiner Mittwochskatechese vom 20.10.2021 führte Papst Franziskus zu der oben erwähnten Stelle im Galaterbrief aus: „Die von Liebe geleitete Freiheit ist die einzige, die andere und uns selbst befreit, die zuzuhören weiß, ohne sich aufzudrängen, die zu lieben weiß, ohne etwas zu verlangen, die aufbaut und nicht zerstört, die andere nicht zum eigenen Vorteil ausnutzt und ihnen Gutes tut, ohne ihren eigenen Vorteil zu suchen.“ Die (moderne) Freiheit sagt: Alles ist erlaubt! Der Apostel antwortet: Doch nicht alles erbaut und tut gut (1Kor 10,23). Die individualistische Freiheit ist steril an Früchten, leer von allem Schönen und Guten und hat keinen gemeinschaftlichen Bezug. Dagegen führt die Freiheit aus Liebe immer in die Gemeinschaft. „Unsere christliche Freiheit entsteht aus der Liebe Gottes und wächst in der Nächstenliebe.“[1] Die päpstliche Katechese zum paulinischen Freiheitsverständnis stützt jedenfalls die kritische Erklärung der 70 Bischöfe gegenüber dem Synodalen Weg und setzt Bischof Bätzings Rechtfertigung ins Unrecht.

Nach den obigen Ausführungen zur biblisch-christlichen Freiheitslehre im Gegensatz zur modern-individualistischen müsste jedem Synodalen des Forums IV klar geworden sein: Nur aus den christlichen Maximen auf biblischer Grundlage kann die Moraltheologie eine kirchliche Sexualethik entwickeln – und nicht als Aufguss der moralisch indifferenten ich-bezogenen Freiheitstheorie, die mit dem christlichen Gebot der Nächstenliebe im Gegensatz steht.

Weltkirchliche Kritik am deutsch-synodalen Sonderweg wird abgebügelt

Bischof Bätzing betonte mehrfach, mit dem deutsch-synodalen Weg Impulse für die Weltkirche geben zu wollen. Wenn dann aber kritische Rückmeldungen kommen wie von der Nordischen und Polnischen Bischofskonferenz sowie kürzlich von afrikanischen und nordamerikanischen Bischöfen, dann zeigt er sich indigniert, befremdlich und unwillig, auf deren Kritikpunkte ernsthaft einzugehen. So behauptet er pauschal, die Einwände, Bedenken und Befürchtungen der 70 Bischöfe bezüglich der Beschlüsse des Synodalen Wegs würden „nicht zutreffen“. Ansonsten rechtfertigt sich Bischof Bätzing mit den eingespielten Synodalformeln und verbindet sie mit Belehrungen.

Hubert Hecker

 

 

 

 



[1] Die Freiheit verwirklicht sich in der Nächstenliebe, Bericht von Armin Schwibach über die Mittwochskatechese von Papst Franziskus am 20. 10. 2021 auf der Seite kath.net