Der Bruch 1.9.2023
Papst Franziskus vollzieht mit der Ernennung von Msgr. V. Manuel Fernández für das Amt des Glaubenspräfekten, das er am 1. September 2023 übernimmt, den Bruch mit der Lehrtradition der Kirche und der christlichen Wahrheit in der Person Jesu Christi.
Prof. Joseph Ratzinger wurde 1977 zum Erzbischof von München und Freising geweiht. Zu seinem Bischofsmotto wählt er das an Augustinus angelehnte Wort: Mitarbeiter der Wahrheit. Als er 1981 von Papst Johannes Paul II. zum Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation berufen wurde, sollte sein Bischofswort programmatische Bedeutung bekommen für seine Aufgabe, die Glaubens- und Sittenlehre in der katholischen Kirche zu fördern und zu schützen.
Mitarbeiter der Wahrheit ...
In dem theologischen Dokument DOMINUS JESUS vom 6. August 2000 erklärt Kardinal Ratzinger in luzider Klarheit und logischer Prägnanz die zentralen Wahrheiten der christlichen Lehre auf der Basis der einschlägigen Konzilsdokumente. Er bekräftigte darin den
endgültigen und vollständigen Charakter der Offenbarung Jesu Christi, des fleisch-
gewordenen Sohnes Gottes, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist (Joh 14,6).
Der Kirche ist die Aufgabe übertragen, das Evangelium als die Fülle der Wahrheit zu
verkünden, da in der biblischen Frohbotschaft die endgültige Selbstoffenbarung Gottes
erfolgt ist.
... gegen relativistische Gefährdungen der Glaubenslehre
In dem Dokument heißt es weiter: Diese Verkündigung der Kirche wird heute durch relativistische Theorien gefährdet, die den religiösen Pluralismus faktisch und prinzipiell rechtfertigen wollen. Darunter fällt die Überzeugung, dass die göttliche Wahrheit nicht fassbar und nicht aussprechbar ist, nicht einmal durch die christliche Offenbarung. Des Weiteren wird die Einzigartigkeit und Heilsuniversalität Jesu Christi relativiert. Nach diesen Ansichten wird Jesus von Nazareth als besondere, aber historisch begrenzte Prophetengestalt angesehen, in der sich Gott neben anderen religiösen Lichtgestalten der Menschheit zeigte. Dieses Abrücken vom Glauben an die einzigartige Gottessohnschaft Jesu Christi ist der Preis für den Einstieg in einen Religionspluralismus, in der alle menschlichen Gottesverehrungen gleich gültig sind.
Papst Franziskus arbeitet seit Beginn seines Pontifikates daran, mit verschiedenen Verlautbarungen die Lehr-Wahrheiten der Kirche zu unterminieren. Mit der Ernennung vom designierten Kardinal Victor Manuel Fernández zum Präfekten der Glaubenskongregation und dessen brieflicher Beauftragung hat der Papst nun endgültig den Bruch mit der Lehrtradition der Kirche und der christlichen Wahrheit in der Person Jesu Christi vollzogen.
... die Wahrheit vertiefen und verteidigen
Die zentrale Aufgabe der Glaubenskongregation war und bleibt darin bestehen, die Glaubenslehre der katholischen Kirche zu fördern und zu schützen (siehe oben). In diesem Sinne haben Kardinal Ratzinger und alle seine Nachfolger einschließlich Erzbischof Luis F. Ladaria SJ ihren kirchlichen Dienst versehen. Zu dem Schutz der Glaubenslehre gehört es auch, weltliche und kirchliche Irrlehren zu identifizieren, in einem transparenten Verfahren zu prüfen und gegebenenfalls als Irrwege zu verurteilen. Der argentinische Erzbischof em. Héctor Águer beschreibt diesen Auftrag der Glaubenskongregation in einem Blog so: Die Wahrheit muss nicht nur vertieft, erhellt und verbreitet werden, sie muss auch verteidigt werden, wenn sie untergraben wird. Dies musste und muss immer getan werden und bedarf der Wachsamkeit (kath.net vom 3. 8. 2023).
Doch Papst Franziskus hat ausdrücklich diesen Auftrag abgeschafft. Von seinem Vertrauten Msgr. Fernández erwartet er zweifelsohne etwas ganz anderes, schreibt er gleich zu Anfang in seinem Beauftragungsbrief.
Franziskus steht mit seinem Zweifel an der erkennbaren Wahrheit des Evangeliums ...
Papst Franziskus zitiert in seinen Schriften kaum noch das Lehramt seiner Vorgängerpäpste, sondern verweist zunehmend nur noch auf seine eigenen Texte. Er erkennt und benennt nur eine, seine eigene verrätselte „Wahrheit", die er auch nur selbst versteht, aber gleichwohl zu einem immerwährenden Prinzip hochstilisiert: Es wird immer wahr sein, dass die Realität der Idee überlegen ist, heißt es in dem päpstlichen Beauftragungsschreiben. Und diese dubiose Wahrheitsidee vom Realitätsmaterialismus soll die Leitlinie für die Führung der Glaubenskongregation sein!?
Dagegen hält Franziskus von dem Auftrag der Kirche, das Evangelium als die Fülle der Wahrheit zu verkünden, nichts. Kardinal Ratzinger, der diesen positiven Auftrag der Kirche bekräftigte, warnte zugleich vor relativierende Theologien, mit denen ein religiöser Pluralismus gerechtfertigt würde. Als Beispiel führte der frühere Glaubenspräfekt die theologische Irrlehre an, dass die göttliche Wahrheit nicht fassbar und nicht aussprechbar sei. Diese warnende Worte aus dem Jahr 2000 erweisen sich heute als eine prophetische Aussagen.
... im Widerspruch zum 2. Vatikanischen Konzil
Denn genau diese wahrheitsrelativierende Auffassung von der Unfassbarkeit und Unaussprechlichkeit der geoffenbarten Wahrheit vertritt Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben Gaudete et exsultate vom 19. März 2018. Unter Nr. 43 schreibt er:
(1) Es gelingt uns kaum, die Wahrheit, die wir vom Herrn empfangen haben, zu verstehen. Unter größten Schwierigkeiten gelingt es uns, sie auszudrücken.
Die folgenden Widersprüche des päpstlichen Diktums zur Dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum (DV) des Zweiten Vatikanischen Konzils formulierte Christoph Blath:
• Wie kann uns die Tiefe der durch die Offenbarung erschlossenen Wahrheit in Christus aufleuchten (DV2) und das Evangelium ‚die Quelle jeglicher Heilswahrheit und Sittenlehre sein' (DV 7), wenn wir die vom Herrn empfangene Wahrheit kaum verstehen und nur unter größten Schwierigkeiten auszudrücken vermögen?
• Welchen Sinn hat es, daß die Offenbarung ‚für alle Zeiten unversehrt erhalten' bleibt (DV 7) und die Nachfolger der Apostel sie ‚in ihrer Verkündigung treu bewahren, erklären und ausbreiten' sollen (DV 9), wenn das Wort Gottes unfassbar, unklar und unverständlich wäre?
• Wozu ist das kirchliche Lehramt gehalten, ‚das geschriebenen oder überlieferte Wort Gottes verbindlich zu erklären', wobei es dieses Wort ‚mit Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt' (DV 10), wenn sein Inhalt dem Menschen fast immer verborgen bleibt und der sprachlichen Kundgabe widerstrebt?
Die wahrheitsrelativierende Erstaussage (siehe (1) von Papst Franziskus soll seine Folgethese begründen:
(2) Deshalb können wir (das apostolische Lehramt von Papst und Bischöfe) nicht beanspruchen, dass unsere Art, die Wahrheit zu verstehen, uns ermächtigt, eine strenge Überwachung des Lebens der anderen (Theologen und Katholiken) vorzunehmen.
Wenn die Wahrheit der Bibel vermeintlich unfassbar und kaum aussprechbar wäre, dann könnte die darauf fußende Lehre der Kirche auch nur eine diffuse und schwammige Auslegung des angeblich verschwommenen Gotteswortes sein. Damit wird dem apostolischen Auftrag an die Kirche, das Wort Gottes zu verkünden und auszubreiten, der Boden entzogen. Das Lehramt von Papst und Bischöfen, die überlieferte Glaubenslehre treu zu bewahren, auszulegen und zu schützen, wäre obsolet geworden.
Förderung von pluralistischer Theologie in zentrifugalen Richtungen
Aus der Argumentationslogik von der angeblich kaum verständlichen biblischen Lehre ergibt sich die protestantisierende Folgerung, dass jeder Theologe und Christ seinen eigenen Reim auf die verrätselte Christenlehre dichten könnten. Papst Franziskus machte schon 2018 den Weg frei für ein pluralistisches Auseinanderdriften in der christlichen Glaubenslehre und auch zum sittlichen Leben:
(3) Ich möchte daran erinnern, dass in der Kirche unterschiedliche Arten und Weisen der Interpretation vieler Aspekte der Lehre und des christlichen Lebens berechtigterweise koexistieren, die in ihrer Vielfalt helfen, den äußerst reichen Schatz des Wortes besser deutlich zu machen.
Genau diesen Ansatz einer pluralistischen Theologie macht Papst Franziskus zum Leitprinzip der neuen Glaubenskongregation, wenn er in seinem Brief Msgr. Fernández beauftragt:
Sie sollen außerdem verstehen, dass die Kirche in ihrer Interpretation des offenbarten Wortes und in ihrem Verständnis der Wahrheit wachsen muss, ohne dass dies die Auferlegung einer einzigen Ausdruckweise impliziert. Denn: „Die verschiedenen Richtungen des philosophischen, theologischen und pastoralen Denkens können, wenn sie sich vom Geist in der gegenseitigen Achtung und Liebe in Einklang bringen lassen, zur Entfaltung der Kirche beitragen" (Zitat aus einem Franziskus-Schreiben von 2013). Dieses harmonische Wachstum wird die christliche Lehre wirksamer bewahren als jeder Kontrollmechanismus.
Schein-Harmonie in respektierter Beliebigkeit
Papst Franziskus gebraucht hier den korrekten theologischen Begriff ‚Wachstum in der Wahrheit'. Aber die Wahrheit des Evangeliums hat er in seinem früheren Schreiben als kaum fassbar und aussagbar verschwimmen lassen. Welchen Sinn hat dann ein Wachsen in verschwommener Wahrheit?
Für Franziskus sind das Evangelium als Fülle der Wahrheit sowie Jesus Christus als Weg der Wahrheit nicht mehr der fundamentale christliche Orientierungspunkt. Doch ohne den zentralen inhaltlichen Maßstab werden die ‚verschiedenen Richtungen' der Theologie zentrifugal verlaufen. Dann bleiben dem Lehramt und der Glaubenskongregation nur die formale Moderation mit Mahnungen zu ‚gegenseitigem Respekt und Liebe'. Das ändert allerdings an dem inhaltlichen Widerstreit der theologischen Richtungen nichts. Deshalb ist das päpstliche Versprechen von ‚Einklang' und ‚harmonischem' Wachstum eine scheinbare Einheit in respektierter Beliebigkeit. Man sollte die neue Wortbildung ‚Scheinheit' für diese Mogelpackung von scheinbar pluralistischer Einheitlichkeit gebrauchen.
Doktrinäre Gleichschaltung von glaubenstreuen Kirchenleuten
Neben diesem liberal-pluralistischem Wink an progressive Bischöfe und Theologen sind von Franziskus' Vertrauten aber auch Warnungen in Richtung glaubenstreue Kirchenleute zu hören.
Der neue Glaubenspräfekt versteht seinen Auftrag so: Es gibt eine Mission, und die besteht darin, dass ich sicherstellen muss (!), dass die Dinge, die gesagt werden, mit dem übereinstimmen, was Franziskus uns gelehrt hat. Er gab uns einen Einblick, ein umfassenderes Verständnis, und wir können heute nicht dieselbe Antwort geben wie vor 40 Jahren (zitiert aus dem Blog von Erzbischof Ánguer).
Diese Selbstauskunft von Msgr. Fernández macht in aller Deutlichkeit den Bruch mit der bisherigen Lehrtradition klar:
Nicht mehr die Fülle der geoffenbarten Wahrheit in der hl. Schrift soll der Maßstab für die Arbeit der Glaubenskongregation sein, nicht mehr die Person und Lehre Jesu Christi wird als Weg und Wahrheit, also als Grundorientierung für Glaube und Lehre angenommen, sondern was Franziskus uns gelehrt hat.
Die neuen päpstlichen Lehren aus den zehn Jahren seines Pontifikats werden an die Stelle der Bibel und der katholischen Lehrtradition gesetzt. Demnach wäre Franziskus selbst der Weg und die Wahrheit des Glaubens. Denn während die Wahrheit Jesu Christi kaum zu verstehen und auszudrücken sei, wie Franziskus meint, gebe er selbst uns ein umfassenderes Verständnis von der christlichen Glaubenslehre – so die Behauptung von Mons. Fernández.
Der neue Glaubenspräfekt müsse nun sicherstellen, dass alle kirchlichen Äußerungen von Bischöfen und Theologen in Übereinstimmung mit der neuen päpstlichen Lehre gebracht werden. In dieser Wortwahl steckt eine unverhohlene Drohung: Wer sich der doktrinären Gleichschaltung widersetzt und etwa rückwärtsgewandt sich auf die dogmatischen Positionen der katholischen Lehrtradition bezieht, wird keine pluralistische Toleranz erfahren, sondern den päpstlichen Kommissar an den Hals bekommen.
Hubert Hecker