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„Nato mitschuldig an Rußlands Angriffskrieg gegen Ukraine“

 Der folgende Artikel von Herrn Bernhard Mihm erweitert den Rahmen bisheriger Thematisierungen. Wir möchten diese Abhandlung Ihnen mitteilen, um im Blick auf die Geschichte zu einem abgewogenen Verstehen der Situation zu kommen.

Vielleicht kann dieser Kommentar zum Verstehen der Situation eine Hilfe sein.

Kommentar zur Papstäußerung:

Papst Franziskus hat Recht mit seiner Kommentierung des Ukraine-Krieges. Selbstverständlich hat Putin einen Angriffskrieg inszeniert und das Völkerrecht gebrochen. Diese Verantwortung lastet auf ihm. Wie sie auch auf Hitler lastet für den II. Weltkrieg und all die Verbrechen seiner Herrschaft. Wir Deutsche aber sollten die Welt auch darauf hinweisen, dass der Aufstieg Hitlers nicht möglich gewesen wäre ohne die kollektive Demütigung der Deutschen durch den Friedensvertrag von Versailles.

Die Pariser Vorortverträge von 1919 waren allesamt töricht und haben auch außerhalb Deutschlands ungünstige oder gar verheerende Auswirkungen bis auf den heutigen Tag. Die Politik Orbans ist nicht denkbar ohne die Verstümmelung Ungarns im Vertrag von Trianon, die Erdogans nicht ohne die Zerschlagung des Osmanischen Imperiums. Sehr schlimm traf es damals Österreich: Die Donaumonarchie wurde pulverisiert, Österreich blieb nur „der Rest“ (wörtlich: „Le reste cèst Autriche“), und diesem Rest wurde die Vereinigung mit dem gedemütigten Deutschen Reich auch noch verboten. Aus der Ratlosigkeit, wer man nun sei, wuchs in Österreich die schon vorhandene „großdeutsche Bewegung“ an und sammelte die Frustrierten.

Aus diesem Gebräu stammte der schon zu Beginn des I. Weltkrieges nach Deutschland gewechselte Hitler, um dann nach 1919 die Frustrierten in Deutschland als „Erlöser von Versailles“ um sich zu scharen. Und heute? Als in der Wende von 1989 ff., der Weltkommunismus und mit ihm die Sowjet-Union zusammenbrach, wähnte sich Amerika als „einzig verbliebene Weltmacht“ (so der US-Sicherheitspolitiker Zbigniew Brzezinski). Ohne darauf zu achten, dass zwar die Sowjet-Union zerbrochen, Rußland aber geblieben war: Rußland – die nach wie vor größte Territorialmacht mit einer über Jahrhunderte hinweg reichenden bedeutenden Geschichte.

Von Amerika geführt, demütigte man dieses Rußland – vor allem unter dessen Präsidenten Jelzin und auch in den ersten Jahren Putins. Dessen Bundestagsrede 2001 blieb ohne konstruktive Antwort.

Die Wende in Putins Politik markiert dann dessen Rede vor der Münchner Sicherheitskonferenz 2007. Von nun an betrieb er einen gewaltbereiten und gewaltsamen Revanchismus. Der aber wurde in den USA arrogant unterschätzt. Dafür steht das törichte Wort des hochgejubelten Präsidenten Obama, Rußland sei nur eine „Regionalmacht“.

Europa aber richtete sich in infantilem Vertrauen, von den USA schon hinreichend beschützt zu sein, in seine ertragreichen Wirtschaftsbeziehungen ein und vergaß jegliches strategische Denken. So konnte sich die amerikanische Selbstüberschätzung in der Nato voll entfalten. Daß Deutschland unter Angela Merkel und im Verein mit Frankreich die von den USA betriebene Aufnahme der Ukraine in die Nato abbremste, war so gar kein Fehler, sondern ein Aufblitzen von internationaler Vernunft. Nur konnte das den weiteren Verlauf nicht mehr verhindern, da war schon zu viel  Porzellan zerschlagen.

Jetzt bleibt uns nichts mehr als Rußland in die Schranken zu weisen, ohne einen neuen Weltbrand zu entfachen. Aber wir sollten dabei immer wissen, daß wir weiter auch mit Rußland leben werden müssen.

 Also immer kühlen Kopf bewahren und das Herz nicht zu heiß werden lassen.

 

Bernhard Mihm